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Oftmals heißt es: „Den meist kleinbetrieblich strukturierten Handwerksbetrieben fehlen die benötigten Kapazitäten und Ressourcen, sich mit dem Thema X auseinanderzusetzen!“ Es mag so sein, dass im Handwerksbetrieb nicht für jedes aktuelle Thema eine eigene Position erschaffen, oder gar eine Abteilung eröffnet werden kann, wie in so manchem Großbetrieb. Auf der anderen Seite kann gerade die kleinbetriebliche Struktur, die die Handwerksbetriebe miteinander vereint, viele Vorteile mit sich bringen und eine große Stärke darstellen.

Viele Betriebe sind sich den folgenden Stärken durchaus bewusst, andere betrachten diese als nicht erwähnenswerte Selbstverständlichkeit. Doch der Blick in andere Wirtschaftsbereiche macht deutlich, wie wertvoll die Strukturen und die daraus entstehenden Vorteile für das Handwerk sind und welche Wirkung sie auf das unternehmerische Handeln haben.

Es reicht oftmals schon, sich selbst klarzuwerden, was die Stärken sind, für die man möglicherweise selbst betriebsblind ist, die den Betrieb positiv von Großunternehmen oder der Industrie unterscheiden. Daher sollten diese Vorteile guten Gewissens nach außen dargestellt und somit verbreitet werden. Für das Herausstellen der Stärken existieren verschiedene Möglichkeiten z. B. auf der eigenen Homepage, in Bewerbungsgesprächen, gegenüber Praktikantinnen und Praktikanten, in Schulen oder auch intern gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Quelle: itb – Institut für Betriebsführung im DHI e. V.

Familiengeführt

Drei von vier Handwerksbetrieben sind in Familienhand, manche seit Generationen. Diese Tradition und die damit verbundenen Werte sind ein wesentliches Erfolgsmerkmal der deutschen Wirtschaft. Familiengeführte Betriebe haben weniger Fehlzeiten und Ausfälle durch Krankheit zu verzeichnen. Außerdem sind Motivation, Produktivität und Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich besser. Unternehmerinnen und Unternehmer im Handwerk prägen mit ihrer Persönlichkeit und ihrer fachlichen Qualifikation den Charakter des Betriebes und dessen Bild nach außen. Das Unternehmen ist somit meist „Teil der eigenen Familie“. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind oftmals eine Selbstverständlichkeit.

Der ganze Prozess

In der Regel wird ein Produkt von der Idee über die Planung bis hin zur Fertigung nachvollzogen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Kontakt zum Endprodukt und damit zu dem, was sie „geschaffen“ haben. Daher bearbeiten die Beschäftigten in Handwerksbetrieben nicht nur einen kleinen Teilprozess, sind kein „Rädchen im Getriebe“, sondern in die Produktentwicklung eingebunden. Dies fördert, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter emotional engagiert sind und es als ihren persönlichen Erfolg ansehen, wenn sie Kundenwünsche erfüllen können. Die Produkte und Leistungen von Handwerksbetrieben sind nicht „anonym“ oder „von der Stange“, sondern individuell zugeschnitten und auf die speziellen Kundenbedürfnisse und Gegebenheiten vor Ort angepasst. Somit steckt in fast jedem Produkt eine Innovation.

Vielfalt der geografischen Herkunft

Handwerksunternehmen sehen sich in besonderer Weise der Integration verpflichtet. Der persönliche Kontakt im Handwerksbetrieb hat eine bessere integrative Wirkung, als dies in der Anonymität mancher Großunternehmen möglich ist. In den eher kleineren Betrieben des Handwerks weiß man vom familiären und kulturellen Umfeld des anderen. Das fördert die Toleranz und gegenseitiges Verständnis. Die offene Handwerkskultur gibt jungen Menschen den Raum, ihre Potenziale zu entdecken. Ein großer Anteil der im Handwerk erfolgreich tätigen Menschen hat seine Wurzeln außerhalb Deutschlands. Je nach Region sind mehr als ein Fünftel der Ausbildungsplätze im Handwerk von Jugendlichen mit Migrationshintergrund besetzt. Sie sind wichtiger Bestandteil des Handwerks und seiner vielfältigen Fähigkeiten.

Mittelständische Strukturen

Prägend hierfür sind überschaubare Wirtschaftseinheiten sowie die vorwiegend inhabergeführten Unternehmen. Durch diese kann das Unternehmen insgesamt flexibler agieren und ist so anpassungsfähiger gegenüber Marktschwankungen oder dem Einsatz neuer Technologien. Der persönliche Austausch zwischen Geschäftsführung und Beschäftigten ermöglicht, dass sämtliche betriebliche Maßnahmen (wie z.B. Arbeitszeiten, Baustellenplanung oder Arbeitsplatzeinrichtung) individuell, flexibel und informell an die Situation der Beschäftigten angepasst werden können. Die Unternehmerinnen und Unternehmer wollen ihren Betrieb langfristig, über viele Generationen hinaus sichern. Damit geht einher, dass die Betriebe einen qualifizierten Stamm von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufbauen und pflegen. So finden Entlassungen im Handwerk auf einem ganz anderen Niveau als in der Industrie statt und der Anteil langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist im Handwerk höher als in anderen Bereichen. Im Handwerk weiß man, dass der wirtschaftliche Erfolg in besonderer Weise von Qualifikation, Erfahrung und Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abhängt.

Enge Beziehungen

Der direkte Kontakt zur Meisterin oder zum Meister begründet eine hohe Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Betrieb. Die Teamfähigkeit und die Motivation zu verantwortungsbewusster Arbeit werden gestärkt. Dazu gehört eine Unternehmenskultur, die die Beschäftigten umfassend einbindet. Hierin liegt eine der Ursachen für die hohe Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen. Neben den Beziehungen der Mitarbeitenden untereinander zeichnet sich auch die Beziehung zu den Kunden durch persönliche Nähe aus.

Kontakte zum Kunden

Das Handwerk bietet für seine Kundinnen und Kunden individuelle Lösungen. Diese werden oft im engen Austausch in einem gemeinsamen kreativen Prozess entwickelt. Diese Individualität unterscheidet das Handwerk von anderen Wirtschaftsbereichen. Die täglich wachsenden Herausforderungen und der direkte Draht zur Kundschaft fördern den Erfindergeist und bringen zahlreiche Innovationen in Handwerksbetrieben hervor. Auch die Beschäftigten eines Handwerksbetriebes haben in der Regel enge Kontakte zu „ihrer“ Kundschaft und sind erste Ansprechpartner im Betrieb. Gleichzeitig nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Kundinnen und Kunden vor Ort neue Ideen für mögliche Weiterentwicklungen auf und haben dadurch eine wichtige Expertenfunktion im Unternehmen.

Regionale Verankerung

Das Handwerk ist traditionell fest mit einer Region verbunden. Das macht es zu einer wesentlichen und stabilen Säule der regionalen Wirtschaft. Zugleich ist das Handwerk mit seinen Produkten und Dienstleistungen nah am Kunden – und zwar überall. In Städten und Gemeinden, in Ballungsräumen und auf dem Land. So wird den Menschen einer Region eine bedarfsgerechte Nahversorgung garantiert und ihre Lebensqualität erhöht. Das Handwerk repräsentiert das Wissen um regionaltypische Produkte, Verfahren und Techniken. Handwerkerinnen und Handwerker sind ortsverbunden und regional tätig. Sie laufen nicht weg, wenn es einmal schwierig wird und verlagern nicht ihre Betriebe dorthin, wo es steuerlich günstig ist. Sie haben in den vergangenen Jahren die Wirtschaft in diesem Land stabilisiert und sind in hohem Maß gesellschaftlich und sozial engagiert.

Vielfalt der sozialen Herkunft

Welche Begabung die Menschen auch immer mitbringen: Im Handwerk können alle ihren idealen Beruf finden. Das Handwerk eröffnet leistungsstarken jungen Menschen die Chance, in einem unternehmerischen Umfeld zu lernen und zu arbeiten, welches ihnen vielfältige Chancen für ihre Karriere eröffnet – bis hin zur Selbständigkeit. Aber auch Leistungsschwächeren und geringer Qualifizierten bietet das Handwerk eine Chance. Viele Betriebe machen im Rahmen von Praktikumsplätzen, Einstiegsqualifikationen sowie differenzierten Ausbildungsmodulen vieles möglich und erleichtern so vielen Jugendlichen die Integration ins Berufsleben.

Gute Konjunktur

Die Handwerksbetriebe beurteilen ihre aktuelle Geschäftslage, Umsatzentwicklung, Auftragspolster und Investitionsklima in den Konjunkturumfragen des ZDH regelmäßig als gut bis sehr gut. Während der deutschen Gesamtwirtschaft, speziell der Industrie, eine durchwachsene Konjunktur bescheinigt wird und immer wieder Arbeitsplätze abgebaut werden, bleibt das konjunkturelle Hoch den Betrieben des Handwerks erhalten. Dass die hohe Nachfrage handwerklicher Produkte und Dienstleistungen so stark ist, verschafft den Beschäftigten sowohl Sicherheit als auch vielfältige Möglichkeiten einer eigenen Karrierelaufbahn, eigener Existenzgründung oder zur Übernahme eines erfolgreich agierenden Betriebes.

Flache Hierarchien

Aufgrund der innerbetrieblichen Struktur gibt es in Handwerksbetrieben meist weniger Hierarchieebenen als in Großbetrieben (meist ein bis zwei Führungspositionen, z.B. Unternehmensleitung und ein Meister oder eine Meisterin). Damit geht einher, dass die alltägliche Arbeit, z.B. auf der Baustelle, ein hohes Maß an Autonomie, Eigenverantwortung und -initiative beinhaltet. Auch die räumliche Trennung zwischen der Geschäftsführung und der Mitarbeiterschaft ist geringer. Damit einher gehen niedrige Kommunikationsschwellen, z.B. hat man als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter den direkten Draht zu Chefin oder Chef und generell ist eine schnelle und direkte Kommunikation möglich, Informationen fließen direkter und Entscheidungen können schneller getroffen werden. Da in kleinen Betrieben die sozialen Gruppen entsprechend kleiner sind, wird der Unternehmensführung ihre Abhängigkeit von den fachlichen und menschlichen Kompetenzen ihrer Mitarbeiterschaft deutlich. Der wertschätzende Umgang untereinander ist in kleineren Betrieben in stärkerem Maße eine Voraussetzung für den ökonomischen Erfolg. Die kleinen Unternehmen besitzen tatsächlich einen Vorteil bezüglich der Wertschätzung. Dieser wird in kleinen Betrieben, laut einer Untersuchung des Bundesarbeitsministeriums, eine größere Relevanz als in Großunternehmen beigemessen.

System der Ausbildung

Das Handwerk hat die höchste Ausbildungsquote in der Wirtschaft (knapp 27%) und eröffnet damit besonders vielen jungen Menschen einen guten Start in das Berufsleben. Jugendliche lernen mit ihrer handwerklichen Ausbildung mehr als einen Beruf. Handwerk bildet Persönlichkeiten. Das „duale Prinzip“ der beruflichen Bildung ist eine Erfolgsgeschichte des Handwerks. Sie vermittelt schon während der Ausbildung praktisches Können in den Betrieben und das eher theoretisch notwendige Wissen im Rahmen der schulischen Qualifikation. Die Ausbildung im Handwerk hat nicht nur im Inland einen ausgezeichneten Ruf. Mit einem in Deutschland erlangten Gesellen- oder Meisterbrief sind die Fachkräfte auch in anderen Ländern begehrt. Das hier erlangte Wissen und Können sind auch das Erfolgsrezept für qualifizierte Existenzgründer.

Soziale Verantwortung

Das Denken und Handeln in Handwerksunternehmen sind traditionell geprägt von der Verantwortung für den eigenen Betrieb sowie der Fürsorge für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Handwerksbetriebe sind eng mit ihrem direkten sozialen Umfeld verbunden und auch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Überdurchschnittlich viele Handwerkerinnen und Handwerker engagieren sich für die Gemeinschaft, sei es Freiwillige Feuerwehr, THW, Rotes Kreuz oder in der Lokalpolitik – ob soziale, kirchliche oder kulturelle Einrichtungen. Oftmals richtet sich die soziale Verantwortung nicht nur auf das regionale oder gesellschaftliche Umfeld, sondern auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, indem diese in ihrer aktuellen Situation, sei es Heirat, Nachwuchsbetreuung oder eigenes ehrenamtliches Engagement, unterstützt werden.

INFORMATION

Das Handwerk ist mit seinen über einer Million Betriebe in seiner Struktur sehr heterogen. Dabei existiert eine Bandbreite an Unternehmen vom Kleinstbetrieb bis zum Großunternehmen, vom lokalorientierten bis zum international agierenden Unternehmen. Daher gibt es keine für alle Branchen in gleichem Maß geltenden handwerksspezifischen Kriterien. Diese sind nach Branche und im zeitlichen Verlauf der technischen/wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entwicklung unterschiedlich bzw. können sich verschieben. Allerdings sind im Handwerk einige Gesamtstrukturen erkennbar, die daraus resultierend, als Stärken genutzt werden können.